Morgen sollen die Vorkurse der Homöopathie-Akademie beginnen,
vorausarbeitend für den Beginn des Studiengangs im Herbst dieses Jahres.
In Österreich ist soeben ein neues Heft über „Alternativ-Heilkunde“ in der Reihe „Profil Wissen“ erschienen,
das dort eine Art „Spiegel“-Äquivalent darstellt.
Dr. Ulrich Berger hat hier einen Artikel dazu beigetragen,
worin er sich auch auf die Para-Hochschule in Traunstein bezieht.
Desweiteren geht er auf die europäische Hochschullandschaft ein,
und beleuchtet allgemein die Versuche von Lobbygruppen,
lukrative Esoterik an Universitäten unterzubringen.
Ulrich hat Mathematik studiert, ist Lehrstuhlinhaber und leitet das Institut für Analytische Volkswirtschaftslehre an der Wirtschaftsuniversität Wien.
Zu seinen Forschungsinteressen gehören Spieltheorie und Netzwerkökonomie.
Außerdem ist er Vorsitzender der Gesellschaft für kritisches Denken (GkD) und Mitglied der Skeptiker-Organisation Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP)
Hier die Abschrift mit freundlicher Genehmigung des Autors:
Ulrich Berger über die fortschreitende und höchst irritierende Unterwanderung der Universitäten
durch die Pseudowissenschaft. Wie Quacksalberei jetzt mit hochtrabenden Titeln verbrämt wird.
Irgendwann im Frühjahr 2007 platzte David Colquhoun der Kragen. Seit Jahren hatte der
renommierte Pharmakologe vom University College London gegen die zunehmende Verbreitung der
in seinen Augen absurdesten aller alternativen Heilslehren angekämpft. Und nun das. „Diskutieren
Sie, inwiefern die Symptome von Psorinum und Sulphur die miasmatische Natur dieser Arzneimittel
widerspiegeln“, lautete eine Prüfungsfrage, die ein Student der University of Westminster ihm
zugespielt hatte. Ein Miasma steht in der homöopathischen Lehre für eine Art Urübel, das für
chronische Krankheiten verantwortlich ist. Sulphur, also Schwefel, wird in der Homöopathie oft bei
Patienten mit Hautausschlägen eingesetzt, ebenso wie Psorinum, jene eitrige Flüssigkeit, die aus
geöffneten Krätzebläschen fließt. Die ekelerregende Ursubstanz wird den Regeln der Homöopathie
zufolge potenziert, das heißt schrittweise mit Alkohol verdünnt und geschüttelt, bis nichts mehr
davon im Lösungsmittel enthalten ist – ausgenommen natürlich die „geistartige Kraft“ des Eiters, die
laut Homöopathie im Patienten für Heilung sorgt.
Was hat eine Prüfungsfrage über eine bereits hoffnungslos veraltete dogmatische Heilslehre wie die
Homöopathie in der universitären Lehre zu suchen? In diesem Fall sogar sehr viel. Das Studium, das
in Westminster angeboten wurde, schloss nämlich mit einem Bachelor of Science (BSc) in
Homöopathie ab. Dutzende solcher Studienangebote in Komplementärmedizin hatten sich seit
einiger Zeit in Großbritannien verbreitet, allein fünf davon reine Homöopathiestudien, die alle mit
dem akademischen Grad eines BSc lockten. Verärgert griff David Colquhoun in die Tastatur. Ein paar
Tage später erschien sein bissiger Kommentar unter dem Titel „Science degrees without the science“
in der renommierten Zeitschrift Nature. Fächer wie Homöopathie, konstatierte der Professor, seien
nicht nur nicht wissenschaftlich, sondern regelrecht antiwissenschaftlich, und Universitäten, die
derlei Mumpitz ernsthaft unterrichteten oder gar mit einem akademischen Titel würdigten, seien
Schandflecke der wissenschaftlichen Gemeinschaft.
Etliche Kollegen folgten Colquhoun und erklärten öffentlich, dass Homöopathie an einer Universität
nichts verloren habe. Unterstützt wurden sie dabei von Wissenschaftsorganisationen und kritischen
Journalisten. Letztlich erfolgreich: Zwei Jahre später wurde das letzte der BSc-Studien in
Homöopathie aufgelassen. In Kontinentaleuropa, wo man oft ein wenig hinterher hinkt, fing da die
unrühmliche Geschichte erst an. An der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt a. d. Oder hatte man
soeben das Institut für transkulturelle Gesundheitswissenschaften (IntraG) eingerichtet, dessen
Hauptaufgabe die Durchführung des mit einem Master of Arts (MA) abschließenden
Masterstudiengangs Kulturwissenschaften und Komplementäre Medizin war. Fortbildungswilligen
Ärzten wurden dort gegen eine Studiengebühr von € 10.000,- aber nicht nur die kulturellen Aspekte
der Medizin näher gebracht, sondern vor allem auch diverse Methoden und Lehren der
Alternativmedizin: Homöopathie, Homotoxikologie und Biologische Medizin. Dass neben der
Homöopathie ausgerechnet diese zwei kaum bekannten Heilslehren auf dem Stundenplan standen,
war kein Zufall – die dort eingesetzten Mittelchen stammen zu einem Großteil von genau jenem
deutschen Unternehmen, das den Masterstudiengang großzügig mit einer Stiftungsprofessur
unterstützte.
Harald Walach, der am IntraG eingesetzte Professor, machte schon wenig später Schlagzeilen, wenn
auch nicht die, die er sich gewünscht hätte. Von „Aberglaube“ war die Rede, von einem „Rückfall ins
Mittelalter“, von „Hokuspokus“ und von „Spinnern“. Das böse Wort vom „Hogwarts an der Oder“
machte die Runde. Durch vehemente Kritik des Wissenschaftsbloggers Florian Freistetter sowie aus
den Reihen der Skeptiker, die sich in der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von
Parawissenschaften (GWUP) zusammengeschlossen hatten, waren die Medien auf die seltsamen
Vorgänge am IntraG aufmerksam geworden: Walach hatte einen UFO-Forscher und Esoterik-Autor
zum wissenschaftlichen Mitarbeiter bestellt, ein Tierarzt und astrologischer Lebensberater wurde
zum Gastprofessor ernannt und ein neues Lehrmodul über „Energiemedizin“ war bereits in Planung.
Orgon-Therapie, Radionik und Bioresonanz standen dort auf dem Programm; der
Kooperationspartner, ein Verein von Alternativmedizinern, hatte neben der „Physik der
Feinstofflichkeit“ auch „Global Scaling“ im Angebot, ein betrügerisches Verfahren, dessen Erfinder
wenig später zu viereinhalb Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Vom Energiemedizin-Modul nahm
man rasch wieder Abstand, doch kurz darauf wurde eine am IntraG angefertigte Masterarbeit
öffentlich bekannt, in der ein Berliner Orthopäde mit Hilfe von Alu-Dosen Belege für Hellseherei
gefunden haben wollte und vom „Kontakt mit Verstorbenen“ auf der Basis einer Theorie von
„Zeitwellen“ schwadronierte. Wenig später empfahl die zuständige Hochschulstrukturkommission die
Schließung des Instituts sowie die Einstellung des Masterstudiengangs. Die Europa-Universität hat
sich bislang noch nicht dazu durchringen können.
Seit einigen Wochen steht nun das oberbayerische Traunstein im Licht der Öffentlichkeit. Dort soll im
Herbst der deutschlandweit erste BSc-Studiengang in Homöopathie starten. Die Initiative dazu
stammt von der Europäischen Union der Homöopathie (EUH), angeboten wird das Studium über das
Steinbeis-Transfer-Institut EUH, eine Einrichtung der privaten und staatlich anerkannten Berliner
Steinbeis-Hochschule. „Klassische Homöopathie auf Hochschulniveau“ soll in Traunstein in Zukunft
betrieben werden, für viele Beobachter ein Widerspruch in sich. Aber nicht nur, dass an einer
Hochschule Homöopathie gelehrt werden soll, erbost die Kritiker. Als besonderen Affront empfinden
viele es, dass man sich für die geistlose Beschäftigung mit esoterischer Hokuspokus-Medizin
ausgerechnet mit einem Titel schmücken dürfen soll, der den englischen Ausdruck für Wissenschaft
enthält.
Ein eigenständiges Homöopathie-Studium gibt es in Österreich bisher noch nicht. Doch auch
hierzulande hat die Kugerl-Lehre eine universitäre Nische gefunden. An der Medizinischen
Universität Wien etwa wird seit Jahren regelmäßig ein Wahlfach Homöopathie angeboten. Auch die
Veterinärmedizinische Universität hat einen entsprechenden Kurs im Angebot. Durchgesetzt hat das
die Studenteninitiative Homöopathie (SIH), die seit eineinhalb Jahrzehnten daran arbeitet, eine
„wissenschaftliche Homöopathie-Ausbildung“ an den Universitäten zu etablieren. Im
Vorlesungsmanuskript zu einer Unterrichtseinheit mit dem programmatischen Titel „Homöopathie
und Evidence-based Medicine – Kein Widerspruch!“ werden konsequenterweise auch die ersten
zehn Seiten der Thematik Homöopathie und Wissenschaftlichkeit gewidmet. Das mündet auf Seite 11
in die fettgedruckte Konklusio „Homöopathie ist eine Wissenschaft!“ – Rufzeichen inklusive. Dennoch
bietet sich auch hier das gewohnte Bild: Die homöopathische „Wissenschaft“ beschränkt sich
hauptsächlich darauf, jene Metaanalysen zu kritisieren, die der Homöopathie lediglich
Placebowirkung attestieren, und einzelne positive Studien zu zitieren, die angeblich beweisen
würden, dass Homöopathie trotzdem wirkt. Dazu gehört auch jene im „Wissenschaftsskriptum“ der
SIH zitierte Studie aus dem Jahr 2004, die einen Einfluss von unendlich verdünntem Belladonna auf
ein Stück Rattendarm in vitro nachgewiesen zu haben meinte. Die schwer fehlerhafte Studie war
zwar bereits 2005 zurückgezogen worden, diente den Homöopathiefreunden an der Medizinischen
Universität Wien aber noch Jahre später als Beleg für die Wirksamkeit geistartiger Arzneikräfte.
Auch an der Donau-Universität Krems wird die Lehre von den Zuckerkügelchen zwar nicht erforscht,
dafür aber fleißig unterrichtet. Der Lehrplan des seit neun Jahren bestehenden dreisemestrigen MSc-
Lehrgangs namens Natural Medicine verspricht für € 6.000,- „praktisches Arbeiten mit betreutem E-
learning“ in Homöopathie und weiteren komplementärmedizinischen Methoden. Der Lehrgangsleiter
ist nicht nur homöopathischer Arzt, sondern auch Energetiker und Autor eines Büchleins über
„Heilsame Schwingungen“.
Die Homöopathie ist das Flaggschiff der Alternativmedizin, doch beileibe nicht die einzige Vertreterin
dieser Gattung, die in die Universitäten drängt. In Wien war von 2003 bis 2009 die TCM
Privatuniversität Li Shi Zhen mit Bachelor- und Masterstudiengängen u.a. in Traditioneller
Chinesischer Medizin (TCM) und in Akupunktur aktiv. Einen viersemestrigen TCM-Lehrgang um €
7.900,- findet man auch an der Donau-Uni Krems. In Kärnten wiederum dachte man gar an die
Gründung einer Privatuni für Tibetische Medizin. Das Problem der TCM ist ähnlich gelagert wie das
der Homöopathie: Die gar nicht so traditionelle, in den 1950er Jahren von Mao Tse-tung
zusammengebastelte Variante der chinesischen Medizin hat keine an die modernen
Naturwissenschaften anschlussfähigen theoretischen Grundlagen, die man sinnvollerweise lehren
oder lernen könnte. Stattdessen werden die fernöstlichen magisch-mystischen Lehren von der
„Lebenskraft“ Qi und das von der wissenschaftlich orientierten Medizin mangels Existenznachweis
längst ad acta gelegte Meridiansystem studiert. Wissenschaftliche Forschung im Bereich der TCM
wurde weder von der TCM-Privatuni noch von der Donau-Uni Krems in nennenswertem Umfang
betrieben. Dabei wäre genau dies die einzige angemessene Herangehensweise an die TCM. Wie das
gehen kann, macht etwa die Medizinische Uni Graz vor, wo man ein TCM-Forschungszentrum
betreibt, aber nicht den Fehler macht, Akupunktur gleich in der Lehre anzubieten.
Pseudowissenschaftliche Inhalte und Aktivitäten waren und sind auch außerhalb des weiten Bereichs
der Alternativmedizin an österreichischen Unis anzutreffen. Das reicht von dem deutschen Global-
Scaling-Betrüger, der vor einem Jahrzehnt ein Labor der Donau-Uni in seine Machenschaften
verwickelt hatte über den zum Spott der Medien ebenfalls in Krems vorübergehend angebotenen
Feng-Shui Lehrgang bis zu jenem esoterischen Grüppchen, das sich am Institut für Kultur- und
Sozialanthropologie der Uni Wien etabliert hatte. An der Wiener Universität für Bodenkultur findet
man Abschlussarbeiten sowie professorale Gutachten, die esoterische Methoden zum Nachweis
erfolgreicher Wasserbelebung und ähnlichen Humbugs heranziehen genauso wie ein seit Jahren
laufendes unkritisches Seminar zur Wünschelrutengeherei. Doch das sind meist vorübergehende
Ärgernisse, Einzelfälle oder bedauerliche Ausrutscher. Die Alternativmedizin hingegen, und darunter
besonders die Homöopathie, arbeitet gezielt und systematisch an einem Eindringen in die Hallen der
Wissenschaft.
Der Grund dafür liegt auf der Hand. Die nicht zu leugnende enorme Nachfrage nach Alternativen zur
oft als kalt und unpersönlich empfundenen Praxis der Hochschulmedizin hat in den letzten beiden
Jahrzehnten zur Entstehung von zwei parallelen und lukrativen Märkten geführt, dem Markt für
alternativmedizinische Aus- und Weiterbildungen einerseits und dem Markt für
alternativmedizinische Therapieangebote andererseits. Die weniger relevanten
Quacksalbermethoden, von Bioresonanz, Radionik und Geistheilung bis zu Bachblüten und
Holopathie, wurden in das neugeschaffene Energetiker-Gewerbe abgeschoben, während die
etablierten Methoden wie Homöopathie oder Akupunktur den Ärzten vorbehalten blieben. Der
Wettbewerb läuft auf beiden Märkten zu einem großen Teil über den Wohlklang der Titel, die man
erworben hat bzw. die man vergeben darf. So schlägt das Ärztekammer-Diplom „Applied Kinesiology“
den Wochenendkurs in Kinesiologie und der zusätzliche BSc in Homöopathie übertrumpft die bloße
Heilpraktikererlaubnis. Der vermeintliche Qualitätsausweis dahinter bleibt freilich ein
Etikettenschwindel, denn ob man die Diagnostik mittels kinesiologischem Muskeltest nun zehn oder
hundert Stunden studiert, ändert nichts daran, dass dieser Test Humbug ist, und die
Arzneimittelbilder der Homöopathie bleiben Fantasiegebilde, egal wieviele davon man auswendig
gelernt hat.
Eine Hochschule, die einer Pseudowissenschaft Tür und Tor öffnet, leidet natürlich unter dem damit
unweigerlich einhergehenden Verlust ihrer Reputation in der wissenschaftlichen Gemeinschaft. Eine
renommierte Medizinische Fakultät kann sich ein Homöopathiestudium also schlicht nicht leisten,
würde sie sich doch umgehend zum Gespött der Fachwelt machen. Auf berufliche Weiterbildung
spezialisierte Universitäten ohne nennenswerte Forschungsreputation wie die Steinbeis-Hochschule
Berlin oder die Donau-Universität Krems tun sich da wesentlich leichter. Andere müssen erst mit
beträchtlichen finanziellen Mitteln überredet werden. Die unter dem IntraG-Debakel leidende
Europa-Universität Viadrina etwa wurde durch eine mit € 100.000,- jährlich dotierte
Stiftungsprofessur gelockt, die die Heel GmbH, einer der weltweit größten Hersteller von
Homöopathika, finanziert. Hinter der universitären Homöopathie steckt zudem fast immer die im
deutschen Essen ansässige Karl und Veronica Carstens-Stiftung, deren erklärtes Ziel die Etablierung
der Globuli in der Hochschullandschaft ist. Seit drei Jahrzehnten fördert sie Studentenprojekte,
Promotionen, Wahlfächer und Lehrgänge in Homöopathie. Auch die Naturheilkunde-Professur an der
renommierten Charité in Berlin wird von der Stiftung des ehemaligen deutschen Bundespräsidenten
und seiner Frau unterstützt.
„Homöopathie als Irrlehre und Täuschung des Patienten“ lautete der Titel der Marburger Erklärung
von 1992, als Mediziner der Marburger Universitätsklinik öffentlich gegen die Aufnahme von
Prüfungsfragen zur Homöopathie in das Studienfach Humanmedizin aufgetreten waren. Das geistige
Fundament der Homöopathie, so das nüchterne Urteil der Ärzte, bestehe aus Irrtümern. Und wenn
der Placeboeffekt alleine als Grundlage eines universitären Faches ausreichen sollte, dann müsste
man neben Homöopathie doch auch Handlesen oder Astrologie in der Lehre berücksichtigen. Was
die Marburger Ärzte als Schreckensvision konzipiert hatten, ist dank eines finanzstarken Gönners
jenseits des Ärmelkanals bereits Realität geworden. Die University of Wales Trinity Saint David nimmt
derzeit Bewerbungen für das Masterstudium in „Kultureller Astronomie und Astrologie“ entgegen.
David Colquhoun wird noch viel zu tun haben.
Ulrich Berger ist Wirtschaftswissenschafter und Präsident der Wiener Skeptikervereinigung
„Gesellschaft für kritisches Denken“.
Wird nichts und wir klatschen Beifall aus dem Breisgau.
Hallo Roland, ich bin auch sehr erleichtert :-) Bis gestern mittag waren wir noch unsicher ob’s stimmt, aber nach den Bestätigungen durch mehrere Medien ist das nun wohl ein Grund zu feiern :-) Was fehlt ist noch die offizielle Stellungnahme der Steinbeis-Uni und des EUH. LG.