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braucht koa Mensch!

Homöopathie für Rindviecher

Homöopathie ist unterlassene Hilfeleistung.
Das durfte nun auch ein Bauer aus dem Allgäu erfahren. Eines seiner Kälber hatte eine akute Kniegelenksentzündung, die er selbst mit Homöopathika „behandelte“. Der zu spät hinzugezogene Tierarzt konnte das Tier nur noch einschläfern (Link hier und hier)

Der Landwirt wurde auf Basis des Tierschutzgesetztes zu einer Zahlung von 2700 EUR verklagt. Der Einspruch dazu wurde abgelehnt, der Landwirt darf nun zahlen.

Es hat sich leider noch nicht ganz in die Bauernhöfe herumgesprochen, dass Homöopathie eigentlich ein Riesen-Blödsinn ist, dass sie weder einen logischen Wirkmechanismus besitzt, noch in sauber angelegten Studien irgendwelche Effekte über das Placebo hinaus darstellen konnte.
Und dass mittlerweile sowohl die Homöopathie als auch das Heilpraktikerunwesen massiv Gegenwind bekommen, zum Glück!

Die Homöopathie wirkt nicht, ganz egal wie oft z.B. die Berchtesgadener Bergbauernmilch damit Werbung macht. Diese Art von Werbung finde ich auf mehreren Ebenen daneben, das werde ich im Folgenden auch noch mit ausführen.

Das Schlimme ist, dass es eine esoterische bornierte Subkultur in Deutschland gibt, die mit Rationalität nicht mehr viel am Hut hat. Die Brutalität nicht mehr erkennt, wenn vorher ein seltsames Gefühl von „Ganzheitlichheit“ stimuliert wird. Es ist ja schließlich ihr esoterischer Glaube, dass sie das Richtige tun, und der Glaube als solcher kommt ja bekanntlich dem Gläubigen als unfehlbar vor…

Dieser Glaube geht tief hinein in alle Gesellschaftsschichten, und man kann den Landwirt sogar in Schutz nehmen, wenn sogar offizielle Vereine wie die Landwirtschaftskammer Niedersachsen die Verwendung von Globuli nahelegen:

In dem verlinkten Interview klärt eine Landwirtin über die „Vorteile“ mit Behandlung von Homöopathie auf:
Offenbar ist es möglich, die Milch von einem kranken Tier ganz normal zu verkaufen, wenn es kein Antibiotika bekommen hat, und der Tierarzt davon nichts weiß?
Und wenn das Tier dann doch  nicht mehr gesund wird, so kann es immer noch zum Schlachter gebracht werden, auch wieder wenn es kein Antibiotika bekommen hat…
Knallharte pekuniäre Vorteile, die ich nicht nur aus Tierschutzgründen, sondern auch als Verbraucher jetzt irgendwie ein wenig eklig finde?! Das Alibi dazu: Die Homöopathie.

Die Antibiotika und das Tierwohl…

Tatsächlich gibt es mehrere Probleme mit Antibiotika-Einsatz in der Tierzucht.
Der eine Punkt  ist die wachstumsbeschleunigende Wirkung, die Viehzüchter dazu verleitet, gerne mehr Antibiotika zu verwenden. Bei Milchvieh ist das praktisch ausgeschlossen, aus Gründen die ich noch erkläre.
Der andere Punkt ist das Problem, dass das Einkommen von Tierärzten auch den Verkauf von Medikamenten mit einschließt. Die Trennung wie in der Humanmedizin zwischen Arzt und Apotheke gibt es in der Tiermedizin nicht, dadurch wird gerne mehr und öfter verkauft, als eigentlich notwendig wäre.
Hier müßte der Gesetzgeber eigentlich andere Lösungen finden.

Wahrscheinlich wird also zu oft Antibiotika gegeben.
Ein Umstand, der Esoterikern die Möglichkeit gibt, in diese Lücke zu springen um mit wirkungslosen Therapien Therapie-Erfolge vorzugaukeln – eben bei diesen Tieren, die ohne Behandlung auch wieder gesund geworden wären.
Die bekannteste dieser Pseudo-Therapien ist die Homöopathie.

Frau Birgit Gnadl, „Tierhomöopathin“, Buchautorin und Chiemgauerin meint in dem Werbefilm der Milchwerke Berchtesgadener Land, „Antibiotika zu reduzieren ist ein wichtiger Faktor, letztendlich für die Gesundheit der Tiere“.
Nö, das stimmt halt so nicht! Das Tier wird eben nicht durch das Antibiotikum krank, das ist die ewige Hoax aller Naturheiler. Es geht, wie bereits erwähnt, um die Verwertbarkeit des Tieres, und das sanfte Image der Homöopathie hilft vielleicht über das schlechte Gewissen des Landwirts herüber.
Das Tier selbst, davon können wir mal auszugehen, will in der kurzen Lebenszeit, die ihr als Turbomilchkuh bleibt, am liebsten schnell wieder gesund sein, und das geht am besten mit Antibiotika.

 

Antibiotika in der Milch?

Werbewirksam kommt der Milchtransporter in der Molkerei an, und es wird ein „Snap-Schnelltest“ durchgeführt, mit dem man kontrollieren kann, ob in der Milch Antibiotika-Reste vorhanden sind. Erwartungsgemäß ist dieser Test negativ. Was hier offenbar als Alleinstellungsmerkmal der Berchtesgadener Milch dargestellt werden soll, ist allerdings Standard!
Tatsache ist, dass in der Milch keine Antibiotika-Reste zu finden sind, ganz egal aus welcher Molkerei das nun kommt. Hat ganz einfach damit zu tun, dass Milch mit Antibiotika nicht zur Weiterverarbeitung taugt: Auch die Bakterien, die zur Herstellung von Käse und Joghurt notwendig sind, würden durch die Antibiotika gehemmt, die Qualität des Endproduktes (der Käse, der Joghurt) wäre für die Molkereien nicht voraussehbar. Deshalb passen Molkereien generell ganz genau darauf auf, dass ihnen keine Antibiotika-Milch untergeschoben wird.
„Mir ist aus den letzten vier bis fünf Jahren keine einzige Untersuchung bekannt, bei der man Antibiotika in handelsüblicher Milch gefunden hätte“, sagt Erwin Märtlbauer, Inhaber des Lehrstuhls für Hygiene und Technologie der Milch an der LMU München.“ Quelle: Süddeutsche Zeitung

Für den Verbraucher heißt das, dass jede Angst vor Antibiotika in Milch und Milchprodukten absolute Panikmache ist.

 

Tierarzt-Verunglimpfung und rechtliche Grauzonen.

„Wie weit darf Werbung gehen?“ Fragt eine Tierärztin in Ihrem Blog, und meinte die aktuelle Werbung der Milchwerke Berchtesgaden. Der Inhalt: „Bauern, denen das Wohl ihrer Milchkühe am Herzen liegt, behandeln diese sicherheitshalber am besten selbst: mit Homöopathie.„, und werden dabei von Laien („Tierheilpraktikern“, „Tierhomöopathen“) beraten. Es geht schließlich um das „Tierwohl„. „Ein paar schlichte Worte, die einen ganzen Berufsstand (den der Tierärzte) verunglimpfen„.
Für den Fall, wovon ja die ganzen Verfechter der Homöopathie ausgehen, daß „Globuli wirksame Arzneimittel zur Behandlung einer kranken Milchkuh“ wären, „gehören sie nicht einfach so in die Hände von Frau Brandner (einer Landwirtin)“ . Für die Behandlung erkrankter lebensmittelliefernder Tiere gibt es klare gesetzliche Vorschriften.„Übrigens sind auch Tierheilpraktiker/homöopathen nur medizinische Laien, die im Gegensatz zu Human- Heilpraktikern für ihr Gewerbe nicht mal eine Heilpraktikererlaubnis benötigen.
Rechtlich befindet man sich also auf dünnen Eis:
– Wenn man davon ausginge, dass Homöopathie wirksam wäre, macht sich sowohl der Landwirt als auch dieses Tierheildingens strafbar.
– Wenn man aber (richtigerweise) davon ausgeht, das Homöopathie wirkungslos ist, macht man sich eventuell wegen unterlassener Hilfeleistung strafbar, wie in dem aktuellen Fall mit dem Landwirt aus dem Allgäu.

 

Echte Tiermedizin

Die Realität ist so, wie es z.B. Tierarzt Ralph Rückert in seinem Blog sagt:
Ca. 80% der Krankheiten, weswegen Leute mit ihren Tieren zu ihm kommen, gehen wieder von selbst weg: „Die Leistung des Tierarztes besteht in diesen Fällen darin, dass er das erstens erkennt und zweitens diesen Verlauf allenfalls absichert, indem er den Patienten vor eventuellen Komplikationen beschützt, und das Ganze ein wenig anschiebt, ohne den Körper bzw. sein Immunsystem bei seiner Tätigkeit unnötig zu stören.„…
Genau für diese 80%, die von selbst verschwinden, lassen sich Pseudoheiler feiern
Ralph Rückert:“Wie viel auch immer es mir finanziell einbringen würde, ich kann das nicht machen, weil ich mich dabei echt mies fühlen würde. „Alternativmedizin“ wirkt nur dann, wenn die behandelte Krankheit sowieso von selbst ausheilen würde.

 

 

Links:

http://www.rfo.de/mediathek/55336/Einsatz_hom_ouml_opathischer_Mittel_bei_K_uuml_hen_der_Milchwerke_Berchtesgadener_Land.html

 

 

 

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Diskussionen

3 Gedanken zu “Homöopathie für Rindviecher

  1. Danke für die sehr erfreuliche Nachricht, dass Homöopathie als Tierquälerei -weil es unterlassene Hilfeleistung ist- bestraft wurde. Kleine Freude am Sonntagmorgen für mich.
    Ebenfalls dankbar bin ich für die Klarstellung, dass Homöopathie bei Nutztieren gar nicht den armen Viechern wohltut, sondern dem Geldbeutel des Besitzers, der das kranke Tier dann noch besser verwerten kann, als wenn er ihm mit evidenzbasierter Medizin geholfen hätte.

    Verfasst von Thebasile | August 28, 2016, 1:18 pm

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